„Hüüa Fury!“ ruft die Hundetrainerin in ihrer strahlenden Rüstung und gallopiert stolz auf ihrem hohen Roß zum unfähigen Kunden, entreisst ihm die Hundeleine und rettet alle vor dem Verderben…oder so ähnlich.
Sich in die Ritter-Retter-Rolle zu begeben ist nämlich nicht nur ein besonders anstrengender Job, sondern nebenbei auch noch etwas, was keiner dankt. Am Ende stehst Du da, ohne halbes Königreich und ohne Prinzessin, so viel sei hier schon mal verraten.
Damit Du nicht jedes mal wieder auf dem anmutigen sSchimmel in die Schlacht stürmst, bekommst Du hier einen kleinen Leitfaden für rettungsanfällige Hundetrainer.
Erstmal zum Problem an sich:
Beratung erfordert ein Einverständnis. Ohne den Auftrag Deines Kunden kannst Du nicht sinnvoll handeln.
Was aber nun, wenn Du eigentlich einen guten Auftrag hast, der Kunde ein sinnvolles Ziel definiert hat und dann plötzlich diese kleinen, unausgesprochenen Hilferufe kommen?
Große Kulleraugen, sich klein und dumm machen, überall betonen wie unfähig man so als Hundebesitzer, ach wahrscheinlich ganz grundsätzlich ist.
„Ich bin so undiszipliniert! Du bist so toll! Bei Dir klappt alles! Du bist der strahlende Ritter!“.
Und schwups kannst du gar nicht mehr anders, als den Kunden und den Hund zu retten?
Plötzlich findest Du Dich abends nach Feierabend dabei wieder den Kunden per Whatsapp zu trösten, weil er grade Stress mit seinem Partner hat?
Sein Hund sitzt derweil auf Deinem Sofa, weil Du das Elend nicht mehr ansehen konntest und angeboten hast ihn zum Sonderpreis ein paar Tage bei Dir aufzunehmen?
Ganz so weit muss es gar nicht gehen, es soll nur das System dahinter verständlich machen.
Wer andere rettet begibt sich damit auch in eine Position der Macht. Ich groß, Du klein.
Eine ganz blöde Ausgangssituation, so lange es nicht grade darum geht, dass Du ein Kind vor Dir sitzen hast. Und selbst ein Kind möchte lieber darin bestärkt werden etwas selbst zu erschaffen, anstatt sich retten zu lassen. Daraus entsteht echtes Selbstvertrauen!
Einen erwachsenen Menschen entmündigst Du mit dieser gutgemeinten Art auf eine Weise, die ihn erdrückt und immer kleiner machen kann. Das Problem: Es schmeichelt Deinem Ego unheimlich.
Und wahrscheinlich benutzt Dein Kunde den Trick sich klein und dumm zu machen gerne mal, um schneller an eine Problemlösung zu kommen, ohne zu viel investieren zu müssen.
Das heißt aber nicht, dass er nicht kann!
Es ist der erlernte Weg des geringsten Widerstandes, den Dein Kunde nutzt.
Unbewusst und unterschwellig natürlich.
Ein bißchen Lob hier, ein bißchen dusselig anstellen da, sich selbst als unfähig bezeichnen und schon schwingt sich Dein innerer Retter auf´s Ross.
Rettet, gerne dann auch mehrmals, was die Situation des Kunden immer schlimmer und schlimmer macht. Er wird immer unfähiger und unselbständiger, was bei Dir erst noch mehr Rettungsgedanken und dann zuverlässig langsam aufkochende Wut produziert.
Du wirst ungeduldiger, willst Dich nicht immer so einspannen lassen, bekommst das Gefühl Dich wehren zu müssen. Mit Deinem Kunden passiert etwas ähnliches. Je toller und rettender Du bist, desto mehr schwelgt er erst in Anerkennung und Lob, um dann langsam aber sicher unwohl mit seiner Rolle zu werden. So ganz doof dastehenlassen will er sich auch nicht. Wie ein kleines Kind behandeln lassen nervt und sorgt ebenfalls für Wut und Abwehr.
Am Ende seid ihr beide wütend, voller Unverständnis.
Du hältst ihn für undankbar, er Dich für überheblich.
Warum wir das so genau kennen?
Weil das ein bekanntes Phänomen ist, was in Beratungsbeziehungen öfter vorkommt.
Insofern kannst Du schon mal aufatmen.
Du bist nicht alleine und es gibt Abhilfe.
Das dieses Thema sehr komplex ist wird Dir sowieso schon klar geworden sein.
Was Du hier bekommst ist ein kleiner Anfang, ein Einblick zu einer Verbesserung. Die kleinen Veränderungen können aber großes bewirken, also nimm Dir die Zeit diese fünf Punkte zu bedenken:
1. Schaffe von Anfang an klare Verhältnisse. Schon die Frage, um wie viel Uhr Du noch an´s Telefon gehst, oder ob Du Dir anderthalb Stunden Telefonat zur Terminfindung gefallen lässt macht einen Unterschied. Lässt Du Dich da schon in eine Rolle ziehen, gibst ein paar Extra Tipps am Telefon und tröstest noch schnell eine halbe Stunde?
Ist das hier wirklich ein Notfall (ja, es gibt auch echte Notfälle, für die eine schnelle Hilfe angemessen sein kann! Unterscheide hier weise).
Das bedeutet nicht, dass Du unfreundlich oder unsensibel sein sollst, sondern, dass Du Dich professionell zeigst und Deinem Kunden die Möglichkeit lässt selbständig zu sein.
Machst Du eigentlich keine Hausbesuche, der Kunde fragt aber schon beim ersten Telefonat danach, weil sein Auto grade kaputt ist? Oder erwähnt nur seufzend, dass sein Auto kaputt ist? Dann bleib bitte höflich dabei. Der Hund zeigt das verhalten vermutlich schon seit Monaten oder Jahren und auf eine Woche kommt es jetzt auch nicht mehr an? Dann eben ein Termin in zwei Wochen, wenn das Auto wieder flott ist, oder Du gibst ihm eine Busverbindung durch.
2. Lass die Leine beim Kunden!
Wenn Du auch nur ansatzweise zum Ritter-Retter taugst, dann umgehe direkt den Fehler zu zeigen, wie toll der Hund in Deiner Hand funktioniert. Ja, damit gibst Du auch den eitlen Sonnenschein des Ruhmes auf, der in dem Moment auf Dich strahlt.
Egal wie plump sich der Besitzer anstellen mag und besonders, wenn er sich immer plumper anstellt und immer mehr nach dem Ritter ruft, coache ihn, die Technik selbst umzusetzen. Es gelten alle Regeln wie beim Hund auch: Sei geduldig, arbeite langsam und in kleinen Schritten, mach Trockenübungen die einfach sind und lobe die richtigen Schritte. Leite Deinen Kunden an es selbst zu schaffen, so kleinschrittig und ruhig, dass er es schaffen kann, egal wie dusselig er sich anstellt. Das kann bei einer Leinenführigkeitsübung auch bedeuten, dass Du ihn ohne Hund zwischen zwei Pylonen hin und her gehen lässt um sich die Strecke zu merken, bevor er die Leine in der Hand hält.
Halte Dich zurück mit Erklärungen und gib ganz, ganz kurze (noch kürzer!) Anweisungen, was er genau machen soll.
3. Lehne die Rolle ab!
Wenn Dein Kunde immer wieder betont, wie schlecht er Alles kann, oder nach Rettung schreit, sprich ihn direkt darauf an. Sei freundlich und ehrlich mit ihm und schildere ihm ganz kurz und sachlich, wie er sich klein macht und dass die Lösung nur er selbst sein kann. Frage ihn danach, wie er es sich vorstellt, was er kann, wo er Kompetenzen hat und was er leisten kann, anstatt immer darauf herumzureiten, was er nicht kann.
4. Weise Deinen Kunden auf jede Selbständigkeit hin.
Auch wenn Du das Gefühl hast Dich zu wiederholen, sprich es aus. Immer wieder. „Schau, was Du da grade geschafft hast!“, „Vorhin hast Du gesagt, dass Du das nicht kannst und jetzt sieh mal, wie gut Dir das ganz alleine gelungen ist!“ usw. Vermeide dabei bewusst die Anrede „Ihr“, also Hund und Besitzer, oder „wir“, also Du und Besitzer. Er war es, der es gechafft hat. Er alleine.
5. Behandel Deinen Kunden so, wie Du ihn haben willst.
In einer Gruppenstunde kann das bedeuten, dass Du ansagst „Du gehst am besten da hinten an die Stelle zum Üben, Du kannst das ja schon gut, da kannst Du das“. Sämtliches relativieren und Kleinmachen des Kunden kannst Du dann ignorieren. Oder lasse ihn etwas vormachen, was so einfach ist, dass er auf jeden Fall glänzen wird und sage danach, dass Du die Aufgabe eigentlich wesentlich leichter gestalten wolltest, aber gewusst hast, dass es für diesen Kunden ruhig etwas schwerer sein darf. Es geht darum sein Selbstvertrauen zu stärken und an seine Kraft und Möglichkeiten zu glauben. Du wirst sehen, Dein Kunde wird plötzlich wirklich mehr können, als du ihm zugetraut hättest, weil er daran glaubt, dass er es schaffen kann. Kennst Du die Studie mit den Schullehrern, denen gesagt wurde, ihre neue Schulklasse würde nur aus hoffnungslosen Fällen bestehen?
Der Lehrer wurde vor eine völlig normale Schulklasse gesetzte. Die Klasse wurde ihm aber als ein Haufen schwer erziehbarer Blödies vorgestellt. Bei allen solle er sich freuen, wenn er sie zu einer vier brächte. Trotz aller Bemühungen des Lehrers wurden die Schüler unter seiner Leitung schlechter. Der Notendurchschnitt sank dramatisch.
Die Art wie der Lehrer die Kinder einschätzte und behandelte machte sie zu genau dem, was er erwartete.
Die selbe Klasse wurde übrigens genauso andersherum getestet mit der Angabe ausschließlich aus hochbegabten Schlaumeiern zu bestehen. Du ahnst es schon. Alle Kinder verbesserten ihre Schulnoten imens. Auf einmal wurden sie ganz selbstverständlich behandelt, als seien sie besonders schlau und siehe da. Sie wurden schlau!
Dieses Prinzip kannst Du auf Deine Kunden übertragen…ach ja, auf Dich übrigens auch 😉